VON EINEM KOMMUNISTISCHEN HITLER UND DER MARS-BESIEDLUNG

Berlin. Es ist ein viel kritisiertes Gespräch im virtuellen Raum: AfD-Chefin Alice Weidel und US-Milliardär Elon Musk diskutierten am Donnerstagabend auf der Plattform X, die Musk gehört. Der Tesla-Gründer ist ein lauter Unterstützer der AfD. Einige Beobachtungen.

Am Donnerstag um 19 Uhr starteten US-Milliardär Elon Musk und die AfD-Vorsitzende Alice Weidel im virtuellen Raum ihr erstes Live-Gespräch. Weidel hat seit Tagen mit einem Countdown bei der Plattform X Werbung dafür gemacht. Hier eine Übersicht der Höhe- und Tiefpunkte der mehr als einstündigen Unterhaltung.

Was war der Gesamteindruck?

Es handelte sich um eine öffentlich zugängliche Diskussion in einem sogenannten X-Space – ein Format für Live-Gespräche auf der Plattform X. Der englische Space-Titel lautete sinngemäß: „Gespräch mit der Spitzenkandidatin für die deutsche Regierung“. Nach einer Minute waren nach Angaben von X mehr als 170.000 Nutzer in dem Space, dann sank die Zahl in zehn Minuten auf unter 120.000, um später auf mehr als 200.000 zu steigen. Zu sehen waren beide während der Debatte nicht, denn sie trafen sich im virtuellen Raum zu einem reinen Audiogespräch ohne Video. Sie unterhielten sich in englischer Sprache. Musk leitete sozusagen als Hausherr – ihm gehört die Plattform – in die Debatte ein. Der reichste Mann der Welt warb dabei erneut und wiederholt für die AfD und bekräftigte, „nur die AfD kann Deutschland retten“ und fügte hinzu: „Ende der Geschichte.“ Sonst würden Dinge noch viel schlimmer in Deutschland, so Musk. An den Positionen der AfD sei nichts Empörendes, sie seien schlicht „gesunder Menschenverstand“. Es war allerdings auch ein Gespräch, das im letzten Drittel ins Stocken geriet. Weidel fragte Musk dann nach seiner Prognose für die Mars-Besiedlung und seinen Glauben. Im Laufe seiner Ausführungen verließ Musk die realpolitische Ebene und schwärmte von dem Science-Fiction-Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams. Weidel bedankte sich daraufhin für seine „wunderschönen Worte“, zu denen sie nichts hinzufügen könne. Damit beendeten beide nach etwa 75 Minuten ihr erstes Gespräch.

Überraschendste Aussage

Als Weidel die rhetorische Frage stellte, ob Musk wisse, wie lange es dauere, bis man in Deutschland eine Unternehmenslizenz bekomme, antwortete Musk mit: „Ich weiß es.“ Er verwies auf die Tesla-Fabrik bei Berlin und sagte: Für dieses Werk habe die Prozedur für die Erlaubnis 25.000 Seiten umfasst. Und dazu habe es sehr viele Kopien gegeben, alles habe ausgedruckt werden müssen. „Das war ein Lastwagen voller Papier“, sagte Musk. Überdies habe jede einzelne Seite abgestempelt werden müssen. Weidel stimmte der Kritik an der Bürokratie in Deutschland lachend zu. Musk forderte einen drastischen Abbau von Bürokratie, weil sonst an einem bestimmten Punkt irgendwann alles illegal sei. Dass die Brandenburger AfD damals gegen das Tesla-Werk Stimmung gemacht hatte, war zwischen Musk und Weidel kein Thema.

Auffälligste Fakenews

Als Weidel über das deutsche Bildungssystem sprach, sagte sie, dass der „woke“ Mainstream in Deutschland Kindern an Schulen nur „Gender“-Wissenschaft lehrt. Als Musk einwarf, er habe gedacht, Deutschland habe ein gutes Bildungswesen, widersprach die AfD-Chefin und bekräftigte: gelehrt werde nur sozialistisches, wokes „Genderzeug“. Ferner erzählte Weidel von einer „lustigen“ Migrationspolitik, wo Menschen, die einmal im Land seien nicht mehr abgeschoben werden könnten. Dasselbe passiere in den USA warf Musk ein. Auf der mexikanischen Seite gebe es bergeweise weggeworfener Pässe. Man wisse nicht, ob Mörder oder Vergewaltiger ins Land kämen, aber später sagte er, es seien sehr viele Kriminelle ins Land gekommen. Einigkeit herrschte zwischen beiden bei der Energiepolitik und ihrem Einstehen für die Atomenergie. Dass die Energiekonzerne aber selbst kein Interesse mehr an Atomkraft in Deutschland haben, verschwieg Weidel. Und sie ging auch nicht auf die tatsächlich sehr hohen Kosten von Atomenergie ein, wenn man die Entsorgung einberechnet.

Provozierendste These

Nach etwa einer halben Stunde kam das Gespräch auf Adolf Hitler. Alice Weidel sagte: „Die Nationalsozialisten waren Sozialisten.“ Über Hitler sagte sie: „Er war ein kommunistischer sozialistischer Typ.“ Die AfD sei das exakte Gegenstück. „Wir sind eine libertäre konservative Partei.“ Die AfD werde lediglich von den Medien und links-grünen Kreisen als rechtsextrem geframed. Weidel zog im Zusammenhang mit der Regulierung des Internets einen weiteren Hitler-Vergleich und sagte: „Weißt du, was Adolf Hitler als erstes getan hat? Er hat die Redefreiheit abgestellt, er hat die Medien kontrolliert.“ Andernfalls wäre Hitler nie so stark geworden, meinte Weidel. Das Gespräch mit Musk sei für sie eine neue Situation, weil sie eine „normale Konversation“ haben könne, ohne unterbrochen oder negativ interpretiert zu werden.

Zögerlichste Antwort

Als Musk Weidel zu ihrer Position zu Israel befragte, wich sie aus. Sie sagte, die Situation sei „sehr kompliziert“ und fragte ihn zurück, ob er eine Lösung des Nahostkonflikts sehe. Musk fragte sie daraufhin konkreter: Ob sie das Existenzrecht Israels anerkenne: „Ja, natürlich“, sagte Weidel. Dann lenkte sie die Debatte auf vertrautes Terrain zurück und sagte: In Deutschland müsse jüdisches Leben vor kriminellen Muslimen geschützt werden. Die AfD sei die einzige Partei, die Juden schütze, behauptete sie. Als Musk ausführte, dass er es als wichtig erachte, den Menschen in den Palästinensergebieten zu Wohlstand zu verhelfen, stimmte Weidel zu.

Wie es zu dem Gespräch kam

Das Gespräch wurde ursprünglich von einem User auf X vorgeschlagen. Grund war ein Gastbeitrag Musks in der „Welt am Sonntag“, in dem er erneut für die AfD geworben hat. Dafür erntete er heftige Kritik. Daraufhin schrieb der Milliardär einer AfD-nahen Influencerin, die sich ebenfalls zu der Debatte geäußert hatte: „Warte bis Alice und ich ein X-Spaces-Gespräch führen. Dann verlieren sie ihren Verstand“ - versehen mit zwei Lachsmileys mit Tränen. Weidel teilte wiederum diesen Kommentar Musks bei X. Einige Tage zuvor hatte sich die AfD-Chefin bereits in einem „Lieber Elon“- Video für sein Eintreten für die AfD bedankt. Ihrem Sprecher zufolge gab es einen regelmäßigen Austausch des Weidel-Teams mit dem Team Musk.

Wurden Regeln verletzt?

Musks öffentliches Gespräch mit Weidel auf X könnte laut der Organisation LobbyControl auch als politische Werbung betrachtet werden. Nach dem Anfang 2024 reformierten Parteiengesetz gilt Wahlwerbung durch Dritte als Parteispende. Parteispenden aus dem Nicht-EU-Ausland sind wiederum verboten - Musk und seine Plattform X sind in den USA ansässig. Die Bundestagsverwaltung prüft nun, ob eine illegale Beeinflussung des Bundestagswahlkampfs vorliegen könnte. Aus Protest gegen das Gespräch haben unter anderem Gewerkschaften und der Bundesgerichtshof angekündigt, X zu verlassen.

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2025-01-09T19:50:30Z