Mit dem EV9 dringt Kia erstmals in den erlauchten Kreis der sogenannten Premiumhersteller vor. Der riesige Elektro-SUV muss sich vor der westlichen Konkurrenz nicht verstecken.
Der Hyundai-Konzern heizt den europäischen Mitbewerbern gehörig ein. Dabei geben die Koreaner vor allem bei der Elektromobilität so richtig Gas, schon seit Jahren hat der Autogigant mehrere Elektromodelle im Angebot. Und heute bildet seine modulare 800-Volt-Plattform, die dem Grossteil der westlichen Konkurrenz technisch überlegen ist, die Grundlage für verschiedene Modelle der Marken Hyundai, Kia und Genesis. Modelle, die gleich reihenweise Preise abräumen und die Fachwelt begeistern. Gleichzeitig kommen weiterhin auch Verbrennungsmotoren, Hybridvarianten sowie der Brennstoffzellenantrieb zum Einsatz.
Tochtermarke Kia startete 2014 mit dem Soul EV in den Elektromarkt. Als erstes Modell der neuen E-Ära räumte dann der EV6 ab 2021 zahlreiche internationale Preise ab, darunter als «Auto des Jahres 2022» in Europa. Nun stellen die Koreaner mit dem EV9 ein eindrückliches Flaggschiff auf die Räder: ein über fünf Meter langer, knapp zwei Meter breiter und fast 1,80 Meter hoher Koloss mit futuristischer Designsprache, luxuriöser Ausstattung und innovativen Features – ein Leuchtturm-Modell mit drei Sitzreihen und einer wuchtigen Präsenz im Strassenbild. «Der Kia EV9 übertrifft alle Aspekte des traditionellen SUV und stellt den Höhepunkt der Design- und Ingenieursfähigkeiten von Kia dar», ist Markenchef Ho Sung Song begeistert. «Er ist Vorreiter beim raschen Übergang von Kia zu einem Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen – nicht nur durch seine fortschrittliche EV-Architektur, sondern auch dank zahlreicher recycelter und nachhaltiger Materialien, die bei seiner Herstellung verwendet wurden.»
Ein kolossaler Würfel
Der Gedanke, dass Elektromobilität vor allem ökologisch ist, verblasst beim Anblick des EV9 allerdings schnell. Der siebensitzige SUV hat ein Leergewicht von 2,6 Tonnen sowie ein zulässiges Gesamtgewicht von bis zu 3,24 Tonnen – allein die 100-kWh-Batterie im Fahrzeugboden wiegt 570 Kilogramm, obwohl die verbauten Zellen im Vergleich zu denen im 2021 lancierten EV6 eine um 8,5 Prozent gesteigerte Energiedichte aufweisen. Und diese hohe Batteriekapazität braucht es, damit der kubisch geformte Koreaner eine ordentliche Reichweite erreichen kann: Maximal 563 Kilometer Normreichweite schafft die heckgetriebene Einstiegsversion, die spannendere Allradvariante kommt im WLTP-Zyklus 516 Kilometer weit. Dies entspricht einem Normverbrauch von 20,2 bis 22,8 kWh/km – erstaunlich gute Werte für diesen hohen und kantigen Dreitönner.
Die ausladenden Abmessungen und die Würfelform haben aber einen grossen Vorteil: Der immer mit drei Sitzreihen, aber wahlweise mit sechs oder sieben Sitzen ausgestattete EV9 bietet Platz in Hülle und Fülle. Sind alle drei Sitzreihen aufgestellt, lassen sich 330 Liter im Kofferraum verstauen – so viel (oder wenig) wie in einem Kleinwagen. Klappt man alle Sitze im Fond runter, wächst der Laderaum auf gigantische 2393 Liter an. Hinzu kommt ein Laderaum unter der Fronthaube (Frunk) von 90 Litern, der bei der Allradvariante wegen des zweiten E-Motors an der Vorderachse auf 52 Liter schrumpft. Der Innenraum ist dabei sehr variabel: Die zweite Sitzreihe kann entweder als verschieb- und abklappbare Dreierbank, mit zwei komplett drehbaren Einzelsitzen oder mit zwei luxuriösen «Relaxationsitzen», die bis in eine Liegeposition gebracht werden können, bestückt werden. Zahlreiche Steckdosen, Ablagefächer, Lüftungsdüsen und Bedienelemente erhöhen den Komfort für die Fondpassagiere zusätzlich.
250 Kilometer in einer Viertelstunde
Im Vergleich zum brachial-futuristischen Aussen-Design ist das Cockpit eher zurückhaltend gestaltet. Dabei ist das klar strukturierte Layout mit einer flachen, leicht gebogenen Bildschirmeinheit sehr übersichtlich und einfach zu bedienen. Der Screen besteht aus zwei grossen Querdisplays und einem kleinen hochformatigen Bildschirm dazwischen, auf dem in erster Linie alle Klimafunktionen bedient werden. Die Vordersitze werden von einer hohen Mittelkonsole getrennt, die verbauten Materialien wirken sehr hochwertig und sauber verarbeitet – das ist man sich von Kia zwar inzwischen gewöhnt, doch der EV9 bringt die Marke diesbezüglich auf ein neues Level.
In der Preisliste stehen aktuell drei Varianten: ein Hecktriebler mit 150 kW/203 PS Leistung und 350 Nm Drehmoment, eine Allradversion mit 283 kW/348 PS und 600 Nm sowie das 4x4-Topmodell GT-Line mit gleicher Leistung, aber mehr Durchzugskraft dank 700 Nm Drehmoment. Alle Modelle füllen ihren Akku an der Schnellladesäule mit maximal 210 kW – in einer Viertelstunde kann so im Idealfall die Energie für weitere 250 Kilometer «getankt» werden. Kia führt mit diesem Modell eine Plug-and-Charge-Funktion ein, dank der man im Ladenetz von Ionity nur noch das Kabel mit dem Fahrzeug verbinden muss, um den Ladevorgang zu starten – eine Freischaltung per App oder Ladekarte ist also nicht mehr erforderlich.
Dass der EV9 ein Riesen-Trumm ist, kann der SUV während der Fahrt nicht verbergen. Der tiefe Schwerpunkt, der wie bei jedem modernen Elektroauto dank der flach im Fahrzeugboden untergebrachten Batterie zustande kommt, verleiht dem Koreaner zwar eine gewisse Leichtfüssigkeit auf der Landstrasse und lässt stellenweise das hohe Gewicht vergessen. Doch bei zügig gefahrenen Kurven oder in engen Kehren sind die drei Tonnen halt doch spürbar – trotz selbstnivellierenden Dämpfern an der Hinterachse und adaptiven Dämpfern vorne. Eine Hinterachslenkung, wie man es heute von so grossen Fahrzeugen fast schon gewohnt ist, bietet Kia leider nicht – beim Rangieren in der Stadt macht sich somit der lange Radstand von 3,1 Metern und die stattlichen Abmessungen deutlich bemerkbar. Trotzdem ist der EV9 ein komfortabler, angenehmer und sehr ruhiger Langstreckengleiter, der mit einem Basispreis ab 75’950 Franken der europäischen Konkurrenz gehörig einheizen wird.
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