RENAULT ESPACE - 6. GENERATION: NUR NOCH EIN SUV UNTER VIELEN?

Einst segmentbegründender Van, dann Crossover, nun trägt ein SUV den Namen Espace. Was der Neue so kann, ob er die legendäre Modellbezeichnung verdient und zu alter Nutzwertigkeit zurückgefunden hat, klären wir bei einer ersten Probefahrt. Na, dann: Einsteigen, bitte.

Da staunten die europäischen Autobauer nicht schlecht, als Renault vor 40 Jahren die erste Espace-Generation – inspiriert von amerikanischen Vans – präsentierte. Denn einen Großraum-Pkw gab es bis dato nicht. Doch es sollten viele Nachahmer folgen. Später schwappte die SUV-Welle zu uns herüber, wieder aus den USA – und alle Hersteller surften auf ihr. Bis heute. Auch Renault. Und die Vans? Quasi ausgestorben. Es war also bloß noch eine Frage der Zeit, bis auch das Raumwunder Espace zum SUV mutieren würde, denn bereits die fünfte Generation hatte als Crossover nicht mehr viel mit der ursprünglichen Espace-Idee zu tun. Jetzt also ein Sports Utility Vehicle, quasi ein um rund 21 Zentimeter verlängerter Austral mit bis zu sieben Sitzen. Ganz so einfach, wie die Sache klingt, war’s dann aber doch nicht, denn im Vergleich zum Austral wurde die Hinterachs-Abstimmung auf das höhere Gewicht angepasst und mehr auf Komfort getrimmt. Klar, auch die Kids sollen es bequem haben. ,

Nur im Notfall in die dritte Reihe

Kids? Jawohl, denn erstens muss man fürs Entern der dritten Reihe gelenkig sein. Zweitens hat die flache Bestuhlung zwischen den Radhäusern eher Notsitzcharakter, bleibt wenig Platz für die Beine. Zwischen Sitzfläche und Dachhimmel sind es immerhin rund 84 Zentimeter. Lehnt man sich allerdings zurück, fehlen plötzlich acht Zentimeter Innenhöhe, stößt man gegen die direkt über der Kopfstütze liegende Dachhimmelausbuchtung, unter welcher der Mechanismus für die elektrisch öffnende Kofferraumklappe untergebracht ist. In der zweiten Sitzreihe sind die Platzverhältnisse besser, für die Beine geradezu verschwenderisch und größer als beim Vorgänger, obwohl der länger war und mehr Radstand bot (rund 200 kg mehr Gewicht schleppte er auch noch mit sich herum). Sehr gut: Offen liegende und deshalb sehr einfach zugängliche Isofix-Halterungen, einstellbare Neigung und Fernentriegelung der Lehnen sowie eine um 22 Zentimeter verschiebbare Bank (jeweils asymmetrisch geteilt). Weniger gut: die zu flach stehende Sitzfläche mit recht kurzer Beinauflage. So hocken großgewachsene Passagiere hinten mit angewinkelten Beinen.

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Alles digital im Cockpit. Fast alles

In der ersten Reihe sitzt man hoch, aber doch ausreichend integriert, weil konturiert, mit vierfach einstellbaren Stützen für Häupter und Lendenwirbel. Schade, dass man die lange Sitzfläche lediglich komplett heben und senken kann, sodass die Beinauflage auch hier etwas zu flach steht. Schade auch, dass nur wenig Platz zwischen Türinnenverkleidung und Sitzaußenseite bleibt, sodass es eng wird für die Finger beim Einstellen der elektrischen Bestuhlung. Über alle Sitzreihen spannt sich ein 1,12 Quadratmeter großes Panoramadach, das sich bei Sonneneinstrahlung automatisch abdunkelt (Rollos für Dach- und Seitenfenster sind nicht im Angebot).

Die Sicht über die Motohaube ist dank des flachen Armaturenträgers gut, der Blick seitlich nach vorn wird durch die voluminösen A-Säulen und breiten Außenspiegel eingeschränkt. Auch das Heck kann man nicht ordentlich einsehen, weil die Scheibe recht klein ist, die äußeren, nicht versenkbaren Kopfstützen der zweiten Reihe die Sicht einschränken. Serienmäßige Unterstützung gibt’s an dieser Stelle von Parksensoren rundum plus Rückfahrkamera.

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Die Bedienung gleicht der des Austral, mit einem dem Fahrer zugewandten 12,0-Zoll-Touchscreen, hinter dem ausreichend schnell arbeitende Rechner stecken, die übersichtliche Grafiken erstellen, Einstellungsmöglichkeiten ordentlich auflisten und für eine angemessene Berührungssensitivität sorgen. Besser funktioniert es nur mit der analogen Klimasteuerung unter dem Bildschirm, die zwischen Fahrer und Beifahrer, nicht aber zwischen vorn und hinten unterscheiden kann.

So klar strukturiert und deshalb gut ablesbar wie der Touchscreen dürfte auch das 12,3 Zoll große Instrumentendisplay sein, das verschiedene Layouts bietet und selbst bei Sonneneinstrahlung gut ablesbar ist. Wer 700 Euro extra investiert, bekommt on top ein Head-up-Display. Fahrmodi (Sport, Comfort, Eco, Perso) wechselt man per Druck auf den entsprechenden Lenkradknopf (Multisense) oder auch per Sprachsteuerung ("Hey Google"). Blinker und Licht werden über den linken Lenkradhebel gesteuert. So weit, so einfach. Rechts vom Steuer allerdings ragen gleich drei Bedienelemente aus der Lenksäule: die Hebel fürs Getriebe, den Scheibenwischer und der Satellit für die Multimedia-Steuerung. Da kann es im Eifer des Gefechts schon mal zu ungewollten Wischwasserergüssen kommen. Sonst noch was im Cockpit? Ja klar: Zwei USB-C-Dosen (hinten gibt's erneut vier Anschlüsse), ein 12-Volt-Ausgang und die induktive Ladefläche hinter der Handablage in der Mittelkonsole, inklusive rutschfester Gummimatte fürs Smartphone.

Ich packe meine Koffer, spanne aber zunächst kein Netz

Reisen Sie zu siebt, sollten Sie nur das Nötigste packen, denn bei voller Bestuhlung passen bloß 159 Liter Volumen hinter die serienmäßig auch per Fußsensor elektrisch öffnende Heckklappe (Serie). Können Sie auf die zwei Zusatzplätze verzichten, dürfen Sie das Gepäckabteil bei zurückgeschobener, zweiter Sitzreihe mit 581 (Fünfsitzer) bzw. durchschnittlichen 477 Litern (Siebensitzer) Volumen füllen. Sollen es ein paar Köfferchen mehr sein und sitzen in zweiter Reihe nur die Kurzen, schieben Sie die Bank (asymmetrisch geteilt) einfach ein Stück weit nach vorn und erhöhen die Kapazität auf bis zu 677 (Siebensitzer) respektive 777 Kubikdezimeter (Fünfsitzer). Drohen noch größere Transporte, legen Sie das mittlere Segment der dreigeteilten Fondlehne oder einfach gleich alle Lehnen der zweiten Reihe flach, schieben lange Gegenstände über den ebenen, filzbezogenen Ladeboden einfach nach vorn. Oder Sie stopfen den Kofferraum bis unters Dach und hinter die vorderen Lehnen mit 1.818 (Fünfsitzer) respektive 1.714 Litern (Siebensitzer) voll. Dabei sollten Sie es allerdings nicht übertreiben, denn ein die Ladung sicherndes Innenraum-Trenn-Netz bietet Renault erst ab Ende des Jahres an. Nachrüsten? Ausgeschlossen. Allzu große Gegenstände können Sie aber eh nicht verladen, da die Ladeluke gerade einmal mickrige 66 Zentimeter hoch ist. Anders als noch bei Espace-Generation vier, müssen Fahrräder also liegend transportiert werden und Motorräder gehören auf einen Anhänger (1.500 bis 1.600 kg Anhängelast für Sieben-, respektive Fünfsitzer). Weiteres Manko gegenüber dem vorletzten Espace-Van: Die mit 78 Zentimetern nun rund 26 Zentimeter höhere Ladekante.

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Gesteigerter Hinterachslenkwinkel

Nochmal zurück zur Espace-Hinterachse, die ab Werk als Verbundlenker-Ausführung kommt. Erst bei Order der agilitätsfördernden Allradlenkung (ab Ausstattung Esprit Alpine, 2.800 Euro Aufpreis) wird eine aufwändigere, selektiver ansprechende Mehrlenkerachse eingebaut. Apropos selektiv: Elektronisch geregelte Dämpfer stehen nicht in der Preisliste, dennoch sortieren wir den Federungskomfort auf der ersten Probefahrt unter "angenehm und komfortabel" ein. Nur viele aufeinanderfolgende, kleine und kantige Asphaltflicken kann die frequenzabhängige Dämpfung bei Stadttempo nicht mehr so fein sortieren, rumpelt das Heck zuweilen über die geflickte Fahrbahn. Dafür gefällt die allgemein gute Geräuschdämmung und die ordentliche Eigendämpfung der 20 Zoll großen Michelin Primacy 4-Bereifung mit 235er-Breite und einem Querschnitt von 45 Prozent.

Strom-Start mit Kehrtwende

Wir starten unsere Tour elektrisch, weil der Espace das mit seinem Hybridantrieb immer so macht. Dafür zieht er Strom aus einer kleinen Batterie mit 1,7 kWh nutzbarer Energie, die unter dem Fußboden der ersten Sitzreihe steckt. Den Antrieb übernimmt also zunächst der ins Getriebe integrierte, 50 kW starke Elektromotor (eine weitere, 18 kW starke E-Maschine dient als Startergenerator), der, wenn man das Gaspedal mit Bedacht betätigt, den 4,72 Meter langen, 1,84 Meter breiten, 1,65 Meter hohen und in der von uns gefahrenen Konfiguration knapp 1,8 Tonnen schweren Espace theoretisch drei bis vier Kilometer weit antreiben könnte (eine EV-Taste gibt es nicht), ohne, dass der Verbrenner unterstützen müsste. Im Stadtbetrieb soll der Espace zu 80 Prozent rein elektrisch fahren.

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Das integrierte Google-Navi (Datenverbindung mit integrierter Sim-Karte für fünf Jahre kostenlos) hat die Verkehrslage gescannt und schlägt eine schnellere Route vor. Also die Nächste links und einmal wenden. Obwohl es zwischen den Bordsteinen eng wird, eckt der Espace nicht an, braucht mit den neuerdings um bis zu fünf Grad entgegengesetzt der Vorderräder mitlenkenden Hinterrädern (4Control Advanced) für den U-Turn gerade mal so viel Platz wie ein Clio (10,4 Meter) und 1,2 Meter weniger als ohne diese Technik. Jetzt aber raus aus der Stadt, auf Autobahn und Landstraße, die Reisequalitäten des selbst ernannten Raumgleiters checken, der ausreichend anschiebt – wenn man ihm dafür etwas Zeit einräumt. Denn, bis sich das stufenlose Multimode-Getriebe mit E-Motor und 1,2-Liter-Dreizylinder geeinigt hat, wer denn jetzt auf welche Weise den Vortrieb übernehmen soll, vergeht immer ein Gedenksekündchen. Auch bei spontanen Zwischensprints. Kein Wunder, denn der Antrieb ist komplex, läuft als Parallelhybrid (beide Motoren mit direkter Verbindung zu den Rädern) oder im seriellen Modus, wobei der manchmal etwas rau und von außen gar dieselig-nagelnd klingende Turbobenziner bloß als Stromlieferant für Akku respektive E-Maschine fungiert.

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Welche Form des Antriebs die gerade effizienteste ist, entscheiden Steuergeräte im Hintergrund. Einfluss auf das schon bei mittlerer Last zwischenzeitlich abebbende Drehmoment sowie das leichte Ruckeln beim Wechsel vom parallelen in den seriellen Hybridbetrieb und umgekehrt, hat man nicht. Zum Schluss unserer flotten ersten flotten Etappe meldet der Bordcomputer einen Verbrauch von 7,2 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer. Die zweite Route beinhaltet einen größeren Autobahnanteil mit maximal 120 km/h. Resultat: knapp über sechs Liter – was im alltäglichen Betrieb durchaus realistisch ist, wenn man die per Schaltpaddel vierstufig regelbare Energie-Rekuperation konsequent nutzt und vorausschauend fährt. Die laut WLTP erreichbaren 4,6 bis 4,9 Liter und bis zu knapp 1.200 km Reichweite (55-Liter-Tank) schätzen wir als eher theoretische Werte ein.

Und was kostet der Spaß?

Ab 43.500 Euro startet der siebensitzige Espace (Fünfsitzer zum selben Preis) in der schon sehr gut ausgestatteten Techno-Linie. Wer aber zum Beispiel die Hinterradlenkung haben möchte, muss eine der beiden höheren Ausstattungen Esprit Alpine oder Iconic ankreuzen. Der Rest der Optionen ist in Paketen gebündelt oder – wie die Anhängerkupplung (1.468 Euro) – als Zubehör erhältlich. Auch, dass es nur einen Motor für den Espace gibt, vereinfach den Bestell- sowie Produktionsprozess gleichermaßen. Dafür bekommt man ein gutes Reiseauto, in dessen Innenraum die Franzosen in Zeiten sich überschlagender Mittelteilungen zu nachhaltigen, am besten noch veganen Materialien im Innenraum doch tatsächlich Echtlederbezüge vernähen, allerdings auch nicht mit weniger handschmeichelndem Hartplastik sparen.

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