BMW M4 CSL IM TEST: IST DER TEUERSTE WIRKLICH DER BESTE M4?

Was ist das?

Ein Auto, das nach Aufmerksamkeit hechelt wie eine Ex-Spielerfrau auf dem Oktoberfest. Das mag beleidigend und dem Anlass nicht angemessen erscheinen, aber es ist nun mal das erste, was mir in den Sinn kam, als ich es zum ersten Mal live sah. Letztes Jahr auf dem Goodwood Festival of Speed und zu allem Übel hatte BMW den armen M4 CSL auf seinem riesigen Stand auch noch direkt neben dem gottgleich verehrten "Vorgänger" E46 M3 CSL abgestellt. 

Selbiger wirkte in seiner grazil geformten Einfarbigkeit wie ein voll fokussierter Leichtathlet neben einem Sprüche klopfenden Bodybuilder im rot umrandeten Spandex-Einteiler. Jetzt gewinnst du heute mit Zurückhaltung natürlich keinen Blumentopf mehr, das hat wohl keiner besser verinnerlicht als BMW. Je mehr sich die Leute über all die riesigen Nieren und komischen Scheinwerfer streiten, desto mehr werden die Kraftfahrzeuge aus München gekauft. 

Aber auch wenn der neue M4 CSL nicht so sehnig-elegant daherkommt wie sein berühmter Ahne, würde es ihm doch sehr gut zu Gesicht stehen, wenn er sich ein bisschen was von dessen Talent abgeschaut hätte. Gilt für viele ja immer noch als das Beste, was die Herrschaften von BMW fahrdynamisch jemals auf die Welt losgelassen haben, der liebe M3 CSL.

Dazu sollten wir aber vielleicht erst einmal klären, was der M4 CSL überhaupt ist. Den Unmengen an "CSL"-Emblemen nach zu urteilen, mit denen das Auto innen und außen übersäht wurde, muss er sich selbst immer wieder daran erinnern, um was es sich bei ihm eigentlich handelt.

"Coupé, Sport, Leicht" hieß es ja irgendwann mal. Inzwischen hat BMW "Competition, Sport, Leicht" draus gemacht. Ist ja eigentlich auch egal. Weniger egal ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der gute M4 CSL nicht so richtig leicht ist.

Ich bin mir sicher, dass es eine Mords-Leistung aller Beteiligten war, 100 Kilo aus dem normalen M4 rauszufeilen, aber am Ende stehen halt immer noch 1.625 Kilo auf der Waage. Mit Fahrer sind es 1.700.

Falls es Sie interessiert oder Sie es noch nicht 15x irgendwo anders gelesen haben: Den größten Runterhunger-Anteil haben der Entfall der Rückbank (21 Kg), das Fahrwerk mit leichteren Keramik-Stoppern, Rädern, Federn und Streben (21 Kg) sowie die gnadenlos geformten CSL-Carbon-Schalensitze. Letztere schaben sogar von den optionalen Carbon-Schraubstöcken des M4 Competition nochmal 9,6 Kilo runter, gegenüber dem Standard-Gestühl sind es gar 24. 

Ansonsten hätten wir da noch den Titan-Endschalldämpfer (4 Kg), ein wenig Dämmungs-Entsorgung (15 Kg) sowie mehr Kohlefaser-Einsatz innen und außen (11 Kg). Details an Leuchten oder der Klimaanlage bringen die restlichen 3-4 Kilo. Selbst die Niere ist 500 Gramm leichter geworden. Spötter würden jetzt sagen: Hättet's das Ding halt gleich ein bissl kleiner gemacht. Ich sage hingegen: Wer das sagt, hat keine Ahnung, die M3-/M4-Niere ist total scharf und die vom CSL noch schärfer. 

Das gilt auch für Carbon-Frontsplitter, -Haube und die XL-Entenbürzel-Heckklappe, wo es innen wunderbar kohlefasrig durchscheint. Einen imposanten Heckflügel oder Späße wie eine leistungssteigernde Wassereinspritzung (Grüße an die alten M4 GTS) sucht man hingegen vergebens. 

Ist er etwa nicht Hardcore genug?

Nun, diese Zweifel zerstreuen sich relativ schnell von alleine. Da muss man nur mal reinplumpsen in den beleuchteten Extrem-Stuhl und ein paar Meter fahren. Das Interieur ist trotz fehlendem Fond kein Zentrum des Verzichts, man blickt nirgends auf blanken Boden oder klapperdürre Türpappen.

Trotzdem kommen mit dem wunderbaren, wie immer etwas dicken Alcantara-Lenkrad, der Armlehnen-befreiten Kohlefaser-Mittelkonsole (-4 Kg), den fehlenden Fußmatten (hey, das sind auch ein paar Gramm) und den knallharten Schalensitzen genug richtige Vibes rüber, dass man denkt: Jap, hier hab ich mir mal was ziemlich Besonderes gegönnt.

Zudem rappelt und rumpelt es im Gebälk, wie man sich das bei einem Rennstrecken-Spezial vorstellt. Der normale M4 weiß ja schon ganz gut, wie man Wirbelsäulen an ihre Existenz erinnert. Der M4 CSL legt da noch eine spürbare Schippe drauf. Alles ist ein bisschen roher und härter - auf eine gute Art. Man kommt sich ein bisschen vor wie ein Stück Ladung, um das der Spanngurt gerade noch zwei Zurrer fester gezogen wurde.

Erklärt ist das recht leicht. Es beginnt schon im Motorraum. Hier sorgen ein kaum übersehbares Zusatzstreben-Paket zwischen den Domlagern sowie eine straffere Motor- und Getriebelagerung für mehr Steifigkeit und Fokus. 

Dazu kommt ein Fahrwerk mit acht Millimeter Tieferlegung, strafferen Adaptiv-Dämpfern und zusätzlichen Helperfedern (wie im Porsche 911 GT3). Die halten die Hauptfeder in allen Situationen unter Spannung und den Ausfederweg damit unter Kontrolle. Wäre dem nicht so, würde das nun härter gefederte Auto zu hoppeln und hüpfen beginnen und merklich an Traktion und Kontrolle einbüßen. 

Darüber hinaus wurden die Stabis angepasst, es gibt einen höheren Negativsturz an der Vorderachse und Kugelgelenke statt Gummilager an den hinteren Querlenkern.

Das Weniger an Dämmung merkst du natürlich auch an allen Ecken und Enden. Im wahrsten Sinne, denn gefühlt hörst du jeden zweiten Kieselstein, den die 275er- (vorne) und 285er-Pneus in die Radkästen oder unters Auto bugsieren. 

Man sitzt auch richtig schön tief und außerdem ist es zumindest innen verdammt laut (dazu gleich mehr). Erster Eindruck: Da hat man es in München schon ernst gemeint mit der Extremisierung.

Aber?

Nein, nicht unbedingt "Aber". Es ist nur so, dass auch ein M4 CSL den Naturgesetzen unterworfen ist. Er überlistet sie häufig mit brachialer Haudraufigkeit, aber es lässt sich nun mal nicht wegdiskutieren, dass hier ein 4,80 Meter langes und 1,92 Meter breites Monstrum unterwegs ist. Das sind übrigens bis auf wenige Zentimeter die Ausmaße eines Bentley Continental GT.

Er ist also auf den eher zierlichen Eiffel-Landstraßen, wo wir hauptsächlich getestet und fotografiert haben, eine ganz schöne Handvoll. Man wird einfach ständig daran erinnert, dass man ziemlich viel Auto mit sich herum fährt. Jetzt können Sie entgegnen: "Ja Mensch Wagner, du Vogel, das ist halt kein Lotus." Und natürlich haben Sie damit vollkommen Recht. 

Aber auch verglichen mit einem Cayman GT4 RS oder einem 911 GT3 wirkt der CSL sehr mächtig. Und sagen Sie jetzt nichts - das sind definitiv Autos, die bei Käufern des Über-M4 ebenfalls in der engeren Auswahl stehen. 

Was ist dann der Punkt dieses Autos?

Dieses Auto hat unglaublich viele Punkte, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich wollte nur ehrlich beschreiben, was einen eben auch damit erwartet. Jetzt kommt der Rest und der ist größtenteils ein explodierender Superlativ. 

Der Biss an der Vorderachse etwa ist nicht weniger als kriminell. Und das wohlgemerkt schon mit den Michelin Pilot Sport 4S, die BMW zum Test leider aufgezogen hatte (wir haben, so fair muss man sein, auch keinen Rennstreckentest angemeldet gehabt). Ich will mir gar nicht ausmalen, wie das gute Stück mit den ebenfalls verfügbaren Michelin Cup2 R am Boden saugnapft. Fragen Sie mal einen Fahrwerksentwickler. Der wird Ihnen sagen, dass bei allen noch so großen Fahrwerksbemühungen der Reifen am allermeisten ausmacht. 

Hier ist der Unterschied zum normalen M4 also schon mit der Straßenbereifung spürbar. Und obendrauf gibt es zum Glück auch noch wesentlich mehr Information ins Lenkrad. Die leere, etwas taube Lenkung ist ein Aspekt, der mich beim herkömmlichen M4 sehr stört. Hier ist es viel besser, wenn auch nicht gänzlich perfekt. Die Watteschicht ist seeehr viel dünner, aber ein ganz klein wenig ist sie schon noch vorhanden. Auch da hätte ich zu gerne den klebrigen Cup2 R ausprobiert.

Der CSL hämmert also in die Kurve wie eine hyperagile Wildsau und du kannst dich noch so blöd anstellen, er wird dir vorne nicht wegschmieren. Hinten natürlich schon irgendwann, wenn du das unbedingt willst, aber wie alle BMW zuletzt bricht er recht plötzlich und eckig aus. Da sind schnelle Reaktionen gefragt. Ansonsten gilt jedoch: Wer nicht provoziert, erhält wirklich monströs viel Traktion. 

Und der Antrieb? Merkt man einen Unterschied?

Ich würde behaupten, hier merkt man sogar mit den größten Unterschied. Der M4 Competition mit seinen 510 PS ist ja schon eine Art bayerische Zeitmaschine, aber die Kombination aus 40 PS mehr und 100 Kilo weniger lässt dieses Auto nochmal in andere Sphären detonieren. 

Lecko mio, wie das anschiebt. Hier merkst du die Diät dann mal so richtig. Gefühlt hat man mit der Erhöhung des Ladedrucks (maximal 2,1 statt 1,7 bar) und der Anpassung der Motorelektronik auch die leichte Schläfrigkeit im unteren Drehzahlbereich des S58-Sechszylinders hinfortprogrammiert. Hier geht es schon deutlich unter 3.000 Touren vorwärts und ich meine, dass er auch aggressiver und bissiger ausdreht. 

Gerade die 100 bis 200 km/h, wo er dem normalen M4 irre 1,8 Sekunden abnimmt, sind eine Demonstration. Die beängstigenderweise auch danach nicht aufhört. Der CSL fliegt förmlich Richtung 300. Schluss ist bei 307 km/h.

Die 8-Gang-Automatik will man ja auch nochmal angepackt haben. Im Normalbetrieb merkst du davon eher wenig, was im Normalbetrieb ja auch gut ist. Stellst du Sie unten am Schalthebel auf das aggressivste ihrer drei Settings, merkst du allerdings schon, dass sie dir die Gänge ein bisschen rücksichtsloser um die Ohren haut als gewohnt. Das knallt dann schon ordentlich. Alles übrigens perfekt bedienbar über die herrlichen Carbon-Schaltwippen, die in Größe und Erreichbarkeit kaum zu schlagen sind. 

Der ein oder andere mag monieren, warum man bei einem sündteuren, limitierten Tracktool kein Doppelkupplungsgetriebe verbaut hat, weil es bei schnellen Downshifts zu minimalen Verzögerungen kommen kann. Aber erstens: Wo hernehmen, wenn nicht stehlen (aus einem 2er Active Tourer vielleicht???) und zweitens: Beruhigt euch, das passt schon alles ziemlich gut.

Was nicht ganz so gut passt, ist der Sound des M4 CSL. Klar, man darf ja nix mehr, alles verboten und so. Aber wenn du die Bude anlässt, meinst du, du fährst jetzt gleich direkt aus der Box auf die Strecke ... also wenn sie dir vor lauter Lärm und Getöse nicht vorher schon auseinandergebrochen ist. Und dann gehst du mal hinters Auto und sofort verziehen sich die Mundwinkel nach unten, weil du nämlich - ähm naja - so gut wie gar nix hörst. Ein wenig Gesäusel, das war's. Immerhin muss man den Soundingenieuren lassen, dass sich die Klangübertragung in den Innenraum selten so gut und authentisch angehört hat, wie hier. 

Also kaufen oder nicht?

Neu haut das ja eh nicht mehr hin. Es wurden 1.000 Stück gebaut und die sind weg. Aktuell wird das Auto auf den einschlägigen Börsen für um die 200.000 Euro gehandelt, also gut 35.000 Euro über Neupreis. Ich persönlich würde das Auto niemals nicht kaufen und zwar aus einem einfachen Grund: Es hat die unbequemsten Sitze in der Geschichte des Sitzens.

Nehmen Sie mich hier bitte nicht so ganz ernst, ich bin anscheinend sehr seltsam gebaut oder ein fürchterliches Weichei, aber ich stehe dazu: bei mir verursacht dieses Gestühl Schmerzen. Hüfte - wie ein Trombosestrumpf. Oberschenkel - so zusammengepresst, dass du kaum mit dem linken Fuß bremsen könntest, wenn du wolltest. Ich dachte immer die Rennschale in dem 12 Jahre alten Astra Cup, mit dem ich hin und wieder Rennen in der RCN fahre, wäre der Gipfel der Qual, aber das hier ist mindestens gleichauf.  

Und damit genug von meinem persönlichen CSL-Schalensitz-Feldzug und hin zu einer seriösen Einordnung. Am besten ist der M4 CSL sicher, wenn er mit seiner Kombination aus abartigem Biss an der Vorderachse und dem völlig absurden Schub, den sein getunter Reihensechser jetzt generiert, gefühlt unmöglich früh und viel zu klebrig aus jedweder Kurve explodiert. Da muss man sich schon wirklich Mühe geben, dass man gedanklich bei der Stange bleibt.

Und ich bin mir sicher, dass wir in Ermangelung einer Rennstrecke und den Cup2 R-Pneus nur die Spitze des Eisberges gesehen haben. 

Dennoch ist der CSL definitiv kein komplett verwandeltes Auto. Zur Wahrheit gehört aber auch: in seiner Raubeinigkeit, in seiner Aggressivität, in der Unmittelbarkeit seiner Reaktionen, in seinem brachialen Vorwärtsdrang unterscheidet er sich schon merklich vom Ausgangsprodukt M4 Competition. 

So geht es weiter bei M3 und M4

So gesehen ist, zumindest aus fahrdynamischer Sicht, der teuerste BMW M4 definitiv auch der beste M4. Die Frage ist halt, ob das einen Aufpreis von 65.000 Euro wert ist (wobei ein halbwegs ausgestatteter M4 Competition eher bei 120.000 Euro liegt, dann wären es noch 45.000 Euro). Oder ob es zur irgendwann mal zur Ikone reicht, wie bei den beiden bisherigen CSL von 1972 und 2003? Ich bin mir da nicht hundertprozentig sicher, beglückwünsche BMW aber trotzdem zu diesem sehr besonderen, sehr tracktooligen und sehr sehr guten Auto.

Fazit: 8,5/10

Ein besonderer Dank geht an Marc van der Elzen für die herausragende fotografische Begleitung dieses Tests. @marcelzen.media

                 

MotorReihensechszylinder-Biturbo; 2.993 ccm
Getriebeart8-Gang-Automatik
AntriebHinterradantrieb
Leistung405 kW (550 PS) bei 6.250 U/min
Max. Drehmoment650 Nm bei 2.750-5.950 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h3,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit307 km/h
Leergewicht1.700 kg
Kofferraumvolumen440 Liter
VerbrauchWLTP-Verbrauch: 10,0 Liter; Testverbrauch:
Emission225 g/km CO2
Basispreis165.200 Euro
Preis des Testwagens166.980 Euro

2023-05-28T10:29:36Z dg43tfdfdgfd